Welche Anlageklassen? Und: wie viele verschiedene?
Die strategische Asset Allocation entscheidet nahezu ausschließlich über den Anlageerfolg (vgl. Kapitel ‚Asset Allocation’). Welcher Teil der Ersparnisse in welchen Anlageklassen angelegt wird entscheidet dabei nicht nur über die zukünftige Rendite ihres Vermögens, sondern auch darüber, welchen Schwankungen die Renditeentwicklung unterliegt (vgl. Kapitel ‚Portfoliotheorie’). Betrachten wir also, wie ein Anleger sein Vermögen auf unterschiedliche Anlageklassen idealerweise verteilen sollte.
Wir betrachten also zunächst, welche Anlageklassen beim Diversifizieren besonders wertvoll sind und wie viele verschiedene Anlageklassen für ein gut diversifiziertes Portfolio erforderlich sind (Diversifizieren mit Anlageklassen). Anschließend betrachten wir im nächsten Kapitel, wie man innerhalb einer Anlageklasse weiter diversifizieren kann und welchen Vorteil dies zusätzlich haben kann (Diversifizieren innerhalb von Anlageklassen, im Jargon amerikanischer Anleger auch Slice & Dice genannt).
Vom Diversifikationseffekt profitieren
Die Grundlagen des Diversifizierens beschreibt die Moderne Portfoliotheorie. Die Portfoliotheorie zeigt, dass ein diversifiziertes Portfolio mittelfristig jedem Einzelinvestment überlegen ist: das Risiko sinkt, die Rendite steigt. Dieser Diversifizierungsvorteil ist umso ausgeprägter, je unabhängiger sich die Renditen der Anlageklassen voneinander entwickeln; mathematisch gesprochen, je weniger die Anlageklassen miteinander korrelieren. Mit der Auswahl der Anlageklassen wird erreicht:
- eine bessere Rendite im Vergleich zum Investment in nur eine Anlage / Anlageklasse,
- eine gleichmäßigere Entwicklung der Rendite (weniger Schwankungen),
- das Rendite-Risikoprofil der Gesamtanlage kann auf die persönliche Strategie eingestellt werden.
Das einfachste Portfolio:
schon 2 Anlageklassen können sehr gute Ergebnisse liefern
Das einfachste diversifizierte Portfolio besteht aus 2 Anlageklassen, die möglichst neutral oder gar negativ korrelieren.
Klassisch sind diese zwei Anlageklassen:
- Aktien
- Anleihen.
Aktien und Anleihen sind immer noch die ‚klassischen’ Diversifizierer. Es sind nicht nur die beiden größten Anlageklassen, es sind auch die Anlageklassen, die hinsichtlich Rendite-/Risikoprofil die Außenpunkte der Skala besetzen: Staatsanleihen von erstklassigen Schuldnern gelten immer noch als die sicherste Anlage, sind aber auch eher renditeschwach; Aktienrenditen entwickeln sich mit am volatilsten, erzielen historisch gesehen aber auch die höchste Rendite. Mit diesen beiden Anlageklassen kann man jedes Portfolio auf die persönliche Rendite-/Risikopräferenz abstimmen*. Wie Huber/Kaiser (2003) zeigen, ist bereits ab einem Anlagehorizont von 5-10 Jahren von einer weiteren Diversifizierung kein Vorteil zu erwarten. Das langfristige Ergebnis wird nicht mehr besser.
Anleihen, insbesondere inflationsgeschützte Anleihen (sog. Linker)
Inflationsgeschützte Anleihen sollten für den langfristig orientierten Anleger die erste Wahl sein (vgl. Campbell/ Viceira 2000), so diese verfügbar sind. Ersatzweise können aber auch nominale Anleihen genutzt werden. Inflationsgebundene Anleihen haben aus Sicht des langfristig orientierten Anlegers den Vorteil, dass sie, anders als Anleihen mit definiertem, nominalen Zins, eine gut prognostizierbare reale Rendite abwerfen. Inflationsindexierte Anleihen dürften daher strukturell den Zielen all jener Anleger entsprechen, die die Kaufkraft ihrer Ersparnisse langfristig absichern wollen, z.B. um den Lebensstandard im Rentenalter daraus zu bestreiten. Zudem korrelieren inflationsindexierte Anleihen neutral mit klassischen Anleihen, sind somit ein guter Diversifizierer innerhalb der Anlageklasse Anleihen.
Gewichtung entsprechend der persönlichen Strategie (Risikotoleranz)
Durch Gewichtung der risikobehafteten und risikoarmen Anlagen kann das Rendite- /Risikoprofil des Gesamtportfolios an den persönlichen Bedarf angepasst werden. Auch der sicherheitsorientierte Anleger macht seine Anlagen noch sicherer und steigert die Rendite, wenn er einige risikobehaftete Anlagen beimischt (vgl. Portfoliotheorie). Der ganz risikotolerante Anleger mit langem Anlagehorizont kann sich unter Umständen auch ein Portfolio zu 100% aus Aktien zusammenstellen. Meistens dürfte jedoch selbst der risikotolerante Anleger geringfügige Abstriche bei der Renditechance gerne gegen eine deutlich stabilere Entwicklung des Portfolios eintauschen.
Das Portfolio mit der geringsten Volatilität besteht zu ca. 80-90% aus risikoarmen Anlagen und ca. 10-20% aus risikobehafteten Anlagen. Am ‚oberen Ende’ der Risikotoleranz kann das umgekehrte Verhältnis von 80-90% risikobehafteten Anlagen und 10-20% risikoarmen Anlagen ein guter Kompromiss sein. Dazwischen sind alle Abstufungen möglich. In der Beratungspraxis werden diese Portfolio-Strukturen oft bezeichnet als ‚sicherheitsorientiert’ (20/80), ‚ausgewogen’ (50/50), ‚chancenorientiert’ (20/80).
An dieser Stelle muss der Hinweis erfolgen, das derjenige, der sein Portfolio in der gerade beschriebenen Art und Weise strukturiert, implizit unterstellt, dass die Anlageklassen in Zukunft ähnliche Charakteristika aufweisen, wie in der Vergangenheit (vgl. der Anlageklassen und deren Charakter). Es spricht vieles dafür, dass dem so ist. Es kann aber auch anders kommen.
Auch wenn über längere Perspektive ein Portfolio mit nur zwei Anlageklassen völlig ausreichend scheint, so sagt dies noch nichts darüber aus, welchem kurzfristigen Risiko die Renditeentwicklung des Portfolios unterliegen kann. Auch der langfristig orientierte Anleger wird zwischendurch die Entwicklung seines Portfolios verfolgen und ruhiger schlafen, je stetiger sich die Wertentwicklung vollzieht. Daher kann es sinnvoll sein, in weitere Anlageklassen zu diversifizieren.
Im Kapitel ‚Ihre Persönliche Anlagestrategie’ haben Sie bereits Ihre persönliche Gewichtung risikobehafteter und risikoarmer Anlagen bestimmt, - als Ergebnis aus Ihrer Risikotoleranz und Ihrem Anlagehorizont. Diese grundsätzliche, auf die Person des Anlegers abgestimmte Struktur, gilt es im Auge zu behalten, wenn das Portfolio über zwei Anlagen hinaus diversifiziert werden soll.
Portfolios mit mehr als 2 Anlageklassen
Über Aktien und Anleihen hinaus kann es sinnvoll sein, in weitere Anleiheklassen zu diversifizieren, die über attraktive Korrelationsbeziehungen verfügen: Zum einen kann die Wertentwicklung des Portfolios weiter verstetigt werden. Zum anderen wird das Einstellen des Rendite-Risikoprofils mittels Aktien und Anleihen einem gewissen Schätzfehler unterliegen, dem mit weiterem Diversifizieren begegnet werden kann (vgl. Kan/Zhou, 2007). Der zusätzliche Diversifizierungseffekt jeder weiteren Anlageklasse, die man hinzufügt, ist allerdings abnehmend.
Neben Aktien und Anleihen kommen nach dem Kriterium der Korrelation als weitere Diversifizierer beispielsweise in Frage**:
- Anleihen, bzw. inflationsindexierte Anleihen (je nach dem, wofür man sich bereits entschieden hat)
- Immobilien (REITs),
- Rohstoffe (Agrar- und Industrie-Rohstoffe).
Immobilien (REITs)
REITs (Real Estate Investment Trusts) bezeichnen Aktiengesellschaften der Immobilienbranche. Dies können Immobiliengesellschaften im engeren Sinne sein, aber beispielsweise auch Servicegesellschaften der Immobilienbranche, Bauträgergesellschaften etc.. Da es sich hierbei jeweils um Aktiengesellschaften handelt, darf nicht überraschen, wenn REITs ‚aktienähnliche’ Korrelationsbeziehungen aufweisen: relativ hohe Korrelation zu Aktienmärkten, geringe Korrelationen zu Anleihen und Edelmetallen (vgl. Kapitel ‚Anlageklassen und deren Charakter’).
Rohstoffe
Historisch weisen marktbreite Rohstoffindizes eine niedrige und gelegentlich sogar negative Korrelation mit den klassischen Anlageklassen Aktien und Anleihen auf (vg. Erb/Harvey, 2006 sowie das Kapitel ‚Anlageklassen und deren Charakter’). Hinsichtlich Höhe und Schwankungsbreite der Renditen sind Rohstoffindizes vergleichbar mit Aktien (vgl. Gorton/ Rouverhorst, 2004).
Die ‚optimale’ Asset Allcation für den deutschen bzw. europäischen Anleger
Welche Anteile sollte ein deutscher/ europäischer Anleger in die jeweiligen Anlageklassen investieren? Wie sieht das optimale Portfolio für einen deutschen / europäischen Anleger aus? Obwohl dies die zentrale Frage für jeden Anleger ist, gibt es nur ganz wenige wissenschaftliche Studien, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigen. Da sich die Vorteile einer internationalen Streuung der Anlagebeträge für Anleger unterschiedlicher Nationalitäten nicht unbedingt identisch darstellen (vgl. Gerke, 2005), können die zahlreichen Studien für US-Anleger nur bedingt herangezogen werden.
So zeigen Huber/Kaiser (2003), dass sich auf kurze Sicht das Anlageergebnis verbessert, wenn man dem Portfolio geringe Anteile (5%-10%) an Immobilienindizes und Rohstoffindizes hinzufügt.
Jacobs/Müller/Weber (2008) betrachteten nur Rohstoffe als zusätzlichen Diversifizierer. Sie stellen für den Zeitraum 1973-2007 rückblickend einen ‚optimalen’ Anteil am Gesamtportfolio zwischen 5% und 20% fest, je nach ‚Risikoappetit’ des Anlegers (das Min.-Varianz-Portfolio hält einen 5% Anteil). Unabhängig von einer individuellen Risikoadjustierung des Portfolios stellen sie weiter fest, dass eine Aufteilung von 60% Aktien, 25% Anleihen und 15% Rohstoffe das günstigste Verhältnis von Rendite zu Risiko geliefert hat (gemessen als Sharpe Ratio; Rendite pro Einheit Risiko).
Kommer (2011) definiert ein ‚Weltportfolio’, dessen renditeorientierter Teil zu 80% aus Aktien sowie jeweils 10% aus Immobilien (REITs) und 10% aus Rohstoffen besteht. Dieses Weltportfolio orientiert sich nicht an der persönlichen Risikotoleranz einzelner Anleger. Kommer empfiehlt, dass jeder Anleger seine Vermögensallokation selber auf das persönliche Rendite-/Risikoprofil einstellen möge, in dem er sein Geld entsprechend seiner Risikotoleranz zwischen dem Weltportfolio und kurzlaufenden dt. Staatsanleihen (schwankungsarme Komponente) aufteilt. Ergänzt man beispielsweise 30% ‚sichere’ Anleihen, so reduziert sich der Anteil Aktien auf 56%, sowie Immobilien (REITs) und Rohstoffe auf jeweils 7% des Gesamtportfolio.
- Zwei Anlageklassen, Aktien und Anleihen, im Mix Ihrer persönlichen Anlagestrategie, sollten bereits völlig ausreichen, um mittelfristig ein exzellentes Anlageergebnis zu erzielen.
- Wer Immobilienaktien und Rohstoffe beimischt (ein Anteil von jeweils 5-10% scheint Konsensmeinung), kann die Wertentwicklung des Portfolios weiter verstetigen. Der zusätzliche Nutzen jeder weiteren Anlageklasse ist allerdings abnehmend.
Lesen Sie weiter:
* Wir folgen hier nicht der gängigen Kapitalmarkttheorie, die das persönliche Portfolio aus dem sogenannten ‚Tangentialportfolio’ und der ‚sicheren’ Anlage herstellt, sondern orientieren uns an der bewährten Vorgehensweise der Beratungspraxis. Die Gründe haben wir im Kapitel 'Die Moderne Portfoliotheorie nach Markowitz' dargestellt. Wer dem Ansatz der Kapitalmarkttheorie folgen möchte, findet hierzu in der Literatur (und im Internet) hinreichend Orientierung.
**Gold, Private Equity, Hedge Funds u.a. werden gelegentlich ebenfalls als Anlageklassen bezeichnet, hier aber aus unterschiedlichen Gründen derzeit nicht weiter betrachtet: Gold hat historisch betrachtet ein äußerst schlechtes Rendite-/Risikoverhältnis, Private Equity ist im Grunde eine Form des Aktieninvestments. Private Equity und Hedge Funds haben zudem eine äußerst kurze und zudem lückenhafte Datenhistorie und sind nur teuer investierbar (hohe Gebühren in Dach- und Zielfonds).
Literaturhinweise
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